Anna Bahrjana
Rezension zu Wjatscheslav Huks Roman „Galateas
Garten"
Der auf der Krim geborene
Wjatscheslav Huk ist Mitglied des
nationalen Schriftstellerbundes der Ukraine. Er hat es bereits geschafft,
sich in der aktuellen ukrainischen Literatur mit fünf originellen und
philosophisch-tiefgründigen Gedichtsbänden zu behaupten.
Vor drei Jahren widmete
Wjatscheslav sich der Prosa. Für seinen historisch-psychologischen Roman
„Syndrom der Kindheitserinnerungen" über den sowjetisch-finnischen Krieg im
Jahre 1940 erhielt er 2007 den Förderpreis des Präsidenten der Ukraine.
Sein zweiter Roman heißt
„Galateas Garten". Ich kann sofort sagen, dass es sich um reife europäische
Prosa handelt, „akademische" sozusagen. Prosa für einen anspruchsvollen und
intellektuellen Leser. Um Prosa, die auf der Ebene des Kultusministeriums der
Ukraine anerkannt ist. Der Roman ist in einem auserlesenen Ukrainisch
geschrieben. Er enthält fein gestaltete psychologische Portraits der Charaktere
und folgt einem interessanten kompositionellen Aufbau. (Das Verhör des
90-jährigen Assar Jansson, der ein Altersheim niedergebrannt hat, wechselt ab
mit Schilderungen seiner Erinnerungen, Gedankengängen und unverwiklichten
Träumen). Das Geschehen findet in Lettland der Nachkriegszeit bei der Stadt
Piltene statt, vor dem Hintergrund bestimmter politisch-historischer Umstände,
die im Roman aber nur eine untergeordnete Rolle für die Darstellung der
menschlichen Schicksale (die von Assar, Marta, Pastor Ansis, Helena, Schwester
Irma, Dr. Uldis) und für die tiefen und komplizierten Innenleben der Charaktere
spielen. Das Werk berührt das Thema des vergangenen Zweiten Weltkrieges; hier
lehnt sich der Schriftsteller an Remarque an. Dabei versucht der Autor
jedoch eine Entfaltung des Problems, welches einer modernen Sichtweise folgt,
indem er das menschliche Leiden mit der pessimistischen Philosophie des
Friedrich Nietzsche und des Arthur Schopenhauer verbindet. Außerdem beeindruckt
der Roman durch seine kinematographische Darstellung, die vom Leser auch
registriert wird. Auf diese Weise nähert sich der Schriftsteller seinem
schwedischen Lieblingsregisseur Ingmar Bergman an. Die Prosa von Huk ist,
insgesamt betrachtet, nicht typisch für die ukrainische Literatur, sie folgt
eher der literarischen Traditionen Schwedens, Norwegens und des Baltikums, und
ist somit geeignet für die Übersetzung in andere Sprachen. Es geht um Themen,
die stets aktuell bleiben, und zwar ungeachtet territorialer sowie zeitlicher
Grenzen, denn an erster Stelle steht in Huks Werken der Mensch mit seinem
uneindeutigen und wirren Seelenlabyrinth, mit seiner Einsamkeit, seinem
Schmerz, seinen Hoffnungen und Geheimnissen. Man hofft, dass der Schriftsteller
von seinem Weg nicht abweichen wird, vom Weg der modernen intellektuellen
ukrainischen Prosa. Dieser Weg ist sehr dornig und nicht jeder ist dafür
bestimmt, ihn würdevoll zu beschreiten. Der Autor selbst hat bei der
Präsentation des Romans bemerkt, dass er ihn als die ukrainische Antwort auf
den Roman „Die Geschichte der Liebe" der amerikanischen Schriftstellerin Nicole
Krauss geschrieben hat. Symbolisch ist, dass Frau Krauss und Herr Huk im
gleichen Jahr geboren sind. Der einzige Nachteil des Werkes ist seine
Inertheit, wenn man es doch etwas rasanter, dynamischer und beweglicher
gestalten könnte, würde es ihm nur gut tun. Für mich persönlich – und nicht nur
für mich! – wurde dieses Werk zu einer originellen Entdeckung. Die Zeit, und
nur die Zeit, wird mir vermutlich Recht geben, wenn ich sage, dass es das beste
ukrainischsprachige Prosawerk des Jahres 2008 gewesen ist. Ich bin überzeugt,
dass der Roman von W. Huk „Galateas Garten" ein Bestseller werden kann, und das
nicht nur in der ukrainischen, sondern auch in der Weltliteratur.
Anna Bahrjana, Vorsitzende des nationalen
Vereins ukrainischer Schriftsteller, Schriftstellerin, Preisträgerin der
internationalen ukrainisch-deutschen Prämie des O. Hontschar, Preisträgerin der
literarischen Wettbewerbe „Smoloskyp" und „Koronacija slova".
Kyiw
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